Für eine antifaschistische Klimagerechtigkeit

Auf den ersten Blick scheinen die antifaschistische und die Klimagerechtigkeitsbewegung wenig gemein zu haben. Der „cultural gap“ zwischen einer international vernetzten Klimabewegung, die sich mit einem abstrakten, wenngleich drängenden Problem auseinandersetzt und oft lokal agierenden Antifa-Gruppen, die den politischen Gegner konkret vor Augen haben, scheint groß. Beide Entwicklungen, der Kampf um Klimagerechtigkeit als auch das Zurückdrängen nationalistischer und neofaschistischer Bestrebungen sind zwei zentrale Fragen des 21. Jahrhunderts. Doch wo könnten Verbindungen zwischen den beiden Bewegungen liegen? Auch wenn beide Strömungen die Notwendigkeit von Kooperationen mit anderen, beispielsweise antirassistischen und queerfeministischen Initiativen befürworten, scheint die Zusammenarbeit dieser beiden wenig vorstellbar. Und vor allem: Wo liegt die inhaltliche Verbindung von Klima und Antifa?

Gastbeitrag aus AIB 124 von Ilana Krause und Florian Teller

 

Die Klimabewegung erntet mittlerweile die Früchte ihres langjährigen Engagements. Große Teile der Bevölkerung und selbst bürgerliche Medien sympathisieren mit der Bewegung und halten ihr Anliegen für notwendig. Auseinandersetzungen führen die Aktivist*innen vor allem mit den Kohlekonzernen oder rückwärtsgewandten (Landes)politiker*innen. Das Hauptbetätigungsfeld für Antifaschist*innen, die (extreme) Rechte, stand bis jetzt kaum im Fokus. Diese begegnet dem Thema Klimagerechtigkeit auf zwei Arten:

Zum einen versuchen extreme Rechte, das Thema Umweltschutz zu vereinnahmen. Das Neonazimagazin „Umwelt und Aktiv“ publiziert regelmäßig zu umweltpolitischen Themen aus einem völkischen Blickwinkel. Dem gab immerhin schon die Ökofeministin Vandana Shiva [1] ein Interview [2] in Unkenntnis des politischen Hintergrunds. Ein weiteres Paradebeispiel ist die Solidaritätserklärung der neonazistisches Kleinstpartei „Der III. Weg“ mit Aktivist*innen des Hambacher Waldes.

Die Verbindung von ökologischen Themen mit anti-aufklärerischen Ideen und der Übertragung von Darwins Evolutionslehre auf bevölkerungspolitische Phänomene hat in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts Tradition. Sozialdarwinismus und die nationalsozialistische „Blut und Boden“-Ideologie vereinen sich heutzutage mit einem romantisierenden Naturverständnis unter dem Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ der völkischen Rechten. Akteur*innen aus völkischen Siedlungen versuchen gezielt, lokale Initiativen gegen Atomenergie und Gentechnik oder solidarische Landwirtschaftsnetzwerke zu unterwandern.

In der AfD hingegen vermengen sich am auffälligsten rechtes Gedankengut mit der Vorstellung, es gäbe keinen menschengemachten Klimawandel.[3] Gemäß ihrer neoliberalen Ausrichtung positioniert sich die AfD gegen sogenannte „planwirtschaftliche Eingriffe“ und gegen „jegliche Subventionen“ im Energiebereich.

Zu betonen ist jedoch, dass die Expertise der AfD in Umwelt- oder Klimafragen sehr dünn ist. Ihr aktuelles Umweltprogramm, die „Dresdner Erklärung“, bildet da keine Ausnahme. Es ignoriert den komplexen Zusammenhang von Treibhausgasemissionen, Erderwärmung und Auswirkungen des Klimawandels. Somit steckt hinter der Klimawandelleugnung weder eine fachliche Expertise noch eine stringente Argumentation, sondern vielmehr die Ablehnung der Werte, für die sich die Klimagerechtigkeitsbewegung einsetzt. Nicht nur das Thema Kohle, sondern auch und vor allem, dass sich die Bewegung unter anderem für offene Grenzen oder die sexuelle Selbstbestimmung einsetzt, macht sie für die AfD zu einem roten Tuch.

Gemein ist der (extremen) Rechten, dass sie die sozial-ökologische Frage rassistisch auflädt. So wird beispielsweise jedem Volk (alternativ jeder Kultur) ein bestimmter Raum zugeordnet. Die Ressourcen im begrenzten Raum der heimischen Kultur (oder des deutschen Volks) werden als bedroht angesehen durch Migration oder Überbevölkerung im globalen Süden. Globale Macht- und Wirtschaftsverhältnisse werden rassistisch und völkisch umgedeutet. Die Rechte propagiert ebenso den unbegrenzten Zugriff auf Ressourcen in anderen Ländern und ein Fortschreiben der Externalisierungsgesellschaft [4], der Globale Norden lebt auf Kosten anderer, als scheinbare Lösung für die sozial-ökonomische Krise im Globalen Norden und Deutschland.

Was kommt?

Die Stimmenzuwächse der AfD in drei ostdeutschen Landtagen sind ein Ergebnis der allgemeinen autoritären Zuspitzung. Rassistische, antisemitische und völkische Erklärungen für globale und gesellschaftliche Machtverhältnisse und die ökologische Krise sind auf dem Vormarsch. Engagement gegen eine Partei der Klimawandelleugner*innen und die Aufladung der sozial-­ökologischen Frage durch rassistische ­Erklärungsmuster ist auch von der Klima­gerechtigkeitsbewegung gefragt.

Antifa­schist*innen haben die AfD schon lange auf dem Schirm. Vor allem die Zukunft von Industrie und Arbeitsplätzen im mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlerevier spielte vor den Landtagswahlen eine Rolle. Die Landesregierungen, die Braunkohlekonzerne und ihre Lobbyverbände haben ein gewaltiges Interesse daran, die Interessen der Klimagerechtigkeitsbewegung und die Interessen der Menschen in den Kohlerevieren gegeneinander auszuspielen. Doch auch viele Menschen in Bergbauregionen wollen Klimaschutz. Sie haben bloß berechtigte Sorge um ihren Lebensunterhalt. Die Aufgabe besteht also darin, diesen Konflikt von und nach links zu verschieben, um deutlich zu machen, worum es eigentlich geht: Den Versuch des fossilen Kapitals, die Kämpfe der ihren sozialen Abstieg fürchtenden Beschäftigten zur Durchsetzung seiner Interessen zu instrumentalisieren.

Rechte Akteur*innen versuchen in diesem Konflikt, rassistische und/oder verschwörungstheoretische Akzente zu setzen und ihr menschenverachtendes Weltbild als legitim erscheinen zu lassen. Eine Zusammenarbeit zwischen Antifaschist*innen und Klimagerechtigkeitsaktivist*innen bleibt notwendig. Die Klimagerechtigkeitsbewegung fordert schon lange einen „system change – not climate change“ und sieht das kapitalistische Wirtschaftssystem als Ursache für den Klimawandel. Auch für die antifaschistische Bewegung gilt der Satz von Max Horkheimer, dass wer von Kapitalismus nicht reden will, auch vom Faschismus schweigen sollte. In den Krisen des Kapitalismus erstarken rechte Bewegungen und Ideologien, die den Kapitalismus mit autoritären, ja despotischen Mitteln aufrechterhalten wollen. Wie eine antikapitalistische Perspektive beide Bewegungen zusammenführen kann, sollte diskutiert werden.

Wie bei jeder Zusammenarbeit wird es knirschen und knacken. Aber ein thematisch erweitertes Klimacamp oder eine Antifa-Konferenz mit Klimathema wäre schon einmal ein Anfang. Angesichts der anhaltenden Zustände und aktuellen Entwicklungen ist die Gefahr des Klimawandels und neofaschistischer und rassistischer Akteure ein dringendes Betätigungsfeld für die radikale Linke des 21. Jahrhunderts.

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  • 1. Vandana Shiva wiederum steht bei der Linken in der Kritik für ihr biologistisches Konzept der „Öko-Apartheid.“
  • 2. „Im Gespräch mit Vandana Shiva – Für die Bauern, für die Umwelt – Gegen Monsanto, gegen Kapitalismus“ in „Umwelt & Aktiv“ Ausgabe 3 – 2012.
  • 3. Klimawandelleugner lassen sich auch in anderen Kontexten finden, z,B. bei den Industrielobbyisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch oder bei EIKE („Europäische Institut für Klima und Energie“). Auch in verschwörungstheoretischen Kreisen tummeln sich viele Klimaskeptiker und das rassistische Internetportal „PI-News“ kombiniert in Artikeln Rassismus mit Klimawandelleugnung)
  • 4. postwachstum.de:“Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis“ von Caron Pomp; 9. Dezember 2016.

Quelle: https://www.antifainfoblatt.de/